Meinung: Sollte Remote-Arbeit besteuert werden?

Ein Gutachten der Deutschen Bank schlägt vor, eine Steuer in Höhe von fünf Prozent auf Remote-Arbeit (= dezentrale Arbeitsmodelle) zu erheben. Das soll im Kern dazu dienen Infrastruktur zu stützen, die auf die bisherige Arbeitswelt ausgelegt ist. Zudem sollen in der Umkehr Arbeitende steuerlich profitieren, die im Niedriglohn-Sektor arbeiten oder jene, die nicht im Homeoffice arbeiten können.

Auf den ersten Blick, so scheint es, führt die Dezentralisierung der Arbeitswelt zu volkswirtschaftlichem Schaden. Die Rechnung ist scheinbar einfach: Auf der einen Seite steigert die Arbeit im Homeoffice das Nettoeinkommen um circa fünf Prozent, da größere Kostenpunkte wie zum Beispiel Aufwände für Benzin entfallen.

Auf der anderen Seite wird vorhandene Infrastruktur weniger oder gar nicht mehr genutzt. Dazu zählt der Arbeitsweg oder auch Geschäfte rund um den Arbeitsort, wie der Bäcker für das schnelle Frühstück. Wir möchten hiermit den Gedanken weiterführen, dass es vielleicht nicht zu einem pauschalisierten Schaden, jedoch sehr wohl zu Verschiebungen kommt.

Vorab: Wir finden, die Arbeit im Homeoffice oder auch an anderen dezentralen Arbeitsorten sollte keinesfalls bestraft, sondern sogar gefördert werden. Wieso? Eine volkswirtschaftliche Gesamtrechnung wird in VUKA-Zeiten (Volatilität, Unsicherheit, Komplexität, Ambiguität) immer schwieriger, wenn nicht sogar unmöglich. Auch die von Volkswirten gern unterstellte „Ceteris-Paribus-Klausel“ (alles bleibt gleich), erscheint inzwischen weltfremd. Hingegen wird die individuelle Nutzenmaximierung in Form von mehr Zeit- und Ortsflexibilität zunehmen – dieser Prozess ist bereits in vollem Gange. Der Digitalisierung sei's gedankt! Zudem hat Corona die dezentrale Arbeitsorganisation vollends salonfähig gemacht. Die Empfehlung der Bundesregierung – zumindest in Pandemiezeiten – lautet zurecht „Ermöglichen sie Ihren Mitarbeitenden soviel Home-Office wie möglich”. Dezentrale Arbeit zeigt, dass eine ganz Nation mit samt seinen Unternehmen resilienter gegenüber Veränderungen werden kann.

Welchen Sinn hätte da eine pre-corona Routine bei der die tägliche Fahrt in das Büro wieder forciert wird? Im volkswirtschaftlichen Sinne kann der Arbeitsweg als sogenanntes demeritorisches Gut angesehen werden. Also ein Gut welches systematisch unterschätzt wird, wodurch es Korrekturen im Sinne rückläufiger Nachfrage seitens des Staates bedarf. Warum? Die Vermeidung des Arbeitsweges führt zu positiven weitreichenden Effekten wie Reduktion von CO2, Schonung der verkehrswirtschaftlichen Infrastruktur oder auch Entlastung des Gesundheitssystems durch weniger Unfälle und Erkrankungen in Folge von Verkehr. Sicherlich am wichtigsten sind jedoch die positiven Einflüsse auf eine bevorstehende Klimakatastrophe, mit epochalen Ausmaßen deren Schaden man kaum in Zahlen ausdrücken kann. Unnötiges Pendeln, das erkennen wir aktuell zum Glück, ist zudem einfach zu zeitaufwändig und mit weiteren Begleiterscheinungen wie Stress und Fehltagen behaftet. Wie könnte also eine Lösung aussehen? Vorstellbar ist beispielsweise eine negative Pendlerpauschale für vermiedene Pendelfahrten. So wäre der Tenor mit „pro mobiles Arbeiten und nicht Bestrafung für Home-Office“ gleich ein ganz anderer.

Laut Schätzungen der Denkfabrik „Agora Energiewende“ wird Deutschland bis 2030 rund 30 bis 60 Milliarden Euro zum EU-Topf beisteuern müssen (abhängig vom Preis pro Tonne CO2), wenn Klimaziele nicht erreicht werden. Auch hier kann dezentrale Arbeit positiv beeinflussen. Hat die Deutsche Bank diese Effekte mitbedacht?

Wenn Kommunen so genannte WorkCommunityHubs (WCH), vergleichbar mit einem Gemeindehaus 2.0, etablieren würden, dann wäre Arbeiten vor Ort ohne Pendeln möglich. Zudem könnte der anhaltende Trend der Landflucht durchbrochen werden und ländlich geprägte Gebiete und periphere Lagen gestärkt werden. Die Initiative spaces4future denkt solche Konzepte.

Doch auch in Ballungsräumen schaffen WorkCommunityHubs (WCH) Mehrwerte wie Entlastung des Verkehrs oder gesteigerte Innovationsfähigkeit für Unternehmen durch die Vermengung von unterschiedlichsten Expertisen. Im Prinzip wird die Interaktionsrate aufgrund des Arbeitssettings in den WCHs erhöht, was das Momentum zufälliger Innovation potenziert. Besagte Infrastruktur (Geschäfte), die am eigentlichen Büro nicht mehr angesteuert werden, können sich an den WCHs ansiedeln, um diese mit Kaffee, Back- und Frischwaren zu beliefern. Wir glauben dritte Orte wie WorkCommunityHubs (WCH) bürgen das Potential zu Knotenpunkten für:

- Wissens- und auch Produktionsarbeit (in der Produktion 4.0)

- neue Lernformaten mit zukunftsweisenden Inhalten (z. B. Ausbildung in Punkto Digitalisierung, wie es die „Schule 42" macht)

- gesellschaftliche Anlässe vom Bürgerverein bis zur privaten Feier

Klar ist, ein WorkCommunityHub wird niemals zum vollständigen Ersatz für das Homeoffice oder Corporate Office. Soll es auch nicht. Hier arbeitet man wenige Stunden oder ein paar Tage die Woche. WorkCommunityHubs (WCH) sind vielmehr ein Mittel, um Arbeitsorte weiter zu diversifizieren. Angebote zu schaffen, die die Mitarbeitenden gerne annehmen und zufriedener sind. Trotz des Trends zur Abmietung und Flächenkonsolidierung, gilt es jetzt die Erlebnis- und Aufenthaltsqualität zu erhöhen, um dem neuen Verständnis von Arbeit gerecht zu werden.

Das Flächenpotential zur Umnutzung im Sinne von spaces4future - riesig! Deutschland scheint gebaut. 370 Millionen Quadratmeter Büroflächen, 250 Millionen Quadratmeter Einzelhandelsflächen, 3 Millionen Gästebetten in Hotels sprechen für sich. Sie alle sind potenzielle Flächen für spaces4future. Gehen wir realistisch von einer 20 prozentigen Flächeneinsparung in den kommenden Jahren durch Dezentralisierung und Konsolidierung aus, so stehen gut 100 Millionen Quadratmeter Fläche auf dem Prüfstand. Diese müssen neu gedacht und anderen Nutzungsmöglichkeiten zugeführt werden. An diese Situation werden sich Kleingewerbe (wie besagter Bäcker), Handwerker sowie die gesamte Bau- und Immobilienbranche anpassen, mit positiven konjunkturellen Auswirkungen. Mal ganz davon abgesehen, dass die CO2-Bilanz bei Umbauten im Gegensatz zu Neubauten in puncto grauer Energie deutlich besser abschneidet. Beträchtliche 8 Prozent des globalen CO2 resultieren alleine aus der Zementproduktion. In Deutschland kommen dazu nochmal 25-30 Prozent (bei Privathaushalten) durch Verkehr verursachte Emissionen. Beiden stark emittierenden Sektoren wirken die Konzepte von spaces4future entgegen. Sie gehen sogar noch darüber hinaus und rücken unter anderem mit Sharing-Konzepten das Thema Nachhaltigkeit weiter in den Fokus der Aufmerksamkeit und zeigen neue Optionen auf.

Wir bleiben also dabei: Sollte Remote-Work besteuert werden? Klares NEIN!

Alles in allem überwiegen viel zu viele positive wirtschaftliche aber vor allem auch ökologische Aspekte, die in der Endkonsequenz mögliche Steuermehreinnahmen aus einer „Home-Office-Steuer“ um ein vielfaches übertreffen. Dem Arbeitsort wird in der Debatte dabei eine entscheidende Rolle zuteilwerden, das steht fest. Tom Peters, Autor von „Jenseits der Hierarchien, Liberation Management“ prophezeite schon vor Jahrzehnten: „In der Tat ist das Management von Raum vielleicht das am wenigsten beachtete – und wirksamste – Werkzeug, um einen kulturellen Wandel herbeizuführen, Innovationsprojekte zu beschleunigen und den Lernprozess in weit verstreuten Organisationen zu fördern.” Wir glauben, er hat Recht!

 

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